#12
[First things first: Verzeiht bitte, dass es wieder mal ein bisschen auf sich hat warten lassen, aber hier ist der Post.]

Im einen Moment war da noch die digitale Akte des nächsten Patienten vor dem Hintergrund der moderaten Geräuschkulisse des Passagierdecks und eine Hand, die kurz zögerte, bevor sie auf die Zurück zur Liste – Schaltfläche drückte, und im nächsten Moment tippte jemand dem Vogel drängend auf die Schulter. Eine hastige Kopfbewegung und der daraus folgende Blick nach hinten verrieten, dass es Tel war, der angesichts seines sonst so entspannten Gemüts doch ungewöhnlich aufgebracht wirkte. Slrruk folgte seinem Blick, wie er einmal hastig durch den Raum schweifte als erwarte er, irgendetwas gefährliches zu erblicken. Dann bemühte er seine kräftige Stimme ausnahmsweise einmal dazu, leise zu sprechen.
„Alter, ich versau' dir ja nur ungern deine Arbeit, aber offensichtlich ist da Ärger im Anmarsch. Wollte grad' zum Klo, da hat El'sonn mich beinahe über den Haufen gerannt“. Auch der Mrlssi blickte sich nun kurz um, ehe er seinem Kollegen mit einem Nicken vermittelte, dass er doch bitte fortfahren sollte. Gleichzeitig entfernten sich die beiden allerdings etwas von den Krankenbetten – ein Soldat, der im Gefecht vier Finger verloren hatte und gerade dabei war, mit seinen verbliebenen einen Roman auf einem größeren Datenspeichergerät zu lesen, hatte beim Wort Ärger schon aufgesehen. Als Slrruk endlich neben den Trennwänden ihres Aufenthaltsraums stehen blieb, sprudelte es wieder aus Tel heraus, als ob die Worte demnächst seinen Mund zum platzen gebracht hätten. „Jedenfalls guckt der mich total entgeistert an und erzählt irgendwas von Piraten und das der Captain sie auf den Kahn rauf lässt! Guck ich zurück und frage Was jetzt?. Tja, und jetzt rate mal, was jetzt – nichts jetzt, die Füße still halten sollen wir, Order von der Kommandocrew“.
Der Mrlssi, schüttelte ein wenig den Kopf, und erneut raschelten die Federn seines Kranzes. „Dann hat mich dieser Stein im Magen wieder einmal nicht im Stich gelassen... Aber das ist ja wohl ein Witz! Diese Geier – und keine Witze jetzt!“ Mit erhobenem Zeigefinger deutete er kurz warnend Richtung Tel, der normalerweise ja immer für diese Art von Spaß zu haben war. Jetzt hielt er aber die Füße still und zog es vor, immer wieder auf die von hier aus einsehbaren Zugänge zum Passagierdeck zu werfen. „jedenfalls ziehen die uns doch das letzte Hemd aus, wenn sie hier einfach so rum spazieren können – wenn sie nicht noch die Leute mit einsacken, die in den Hemden drinstecken! Das würde ich eigentlich gern vermeiden“. Ein Blick in den Aufenthaltsraum zeigte Slrruk das, was er erwartet hatte: An einer der Trennwände hingen neben einigen Kitteln ein paar kleine Blasterpistolen. Mehr hatten sich nicht zur Verfügung, um sich eventuell zu verteidigen.
Mit einem unzufriedenen Schnabelklackern wandte der Mrlssi sich wieder an seinen Gesprächspartner. „Hast du eine Ahnung, wie viele wir erwarten müssen? Oder wann sie da sind? Vielleicht können wir einigen von den weniger schlimm Verwundeten unsere Handfeuerwaffen geben, von denen erwartet man ja keine Bewaffnung.“ Doch Tel zuckte nur beherzt mit den Schultern. „Sehe ich aus wie ein Jedi-Meister oder was? Ich hab keine Ahnung, und ich glaube auch nicht, dass uns irgend jemand irgendwas erzählen wird, wenn sie diese Streuner schon mit offenen Armen empfangen. Ich weiß auch grad' nicht, wo die anderen sind, aber ich werde meine Knarre nicht abgeben! Und außerdem solltest du...“
Was Slrruk denn wirklich sollte, dass erfuhr er allerdings nicht mehr. Denn, getreu dem Motto 'Wenn man vom Teufel spricht...' erklang das Geräusch gleich mehrerer sich öffnender Türen, und barsch gerufene Kommandos sowie das klappern von Waffen kündigte die Ankunft der Kriminellen an.

Schon seit eintreffen der Piraten war Slrruk damit beschäftigt, nervös zwischen den Betten hin und her zu wuseln, die darin Liegenden zu beruhigen und dann und wann zu versuchen, ein Mitglied des Entertrupps davon abzuhalten, etwas allzu dummes zu tun – Eine Diskussion, die er immer aufgrund eines durchgeladenen, in seine Richtung deutendes Arguments unweigerlich verlor. Wo El'sonn oder die anderen Sanitäter hin verschwunden waren, konnte er nicht sagen. Nur Tel drückte sich in einer etwas dunkleren Ecke herum und versuchte, bloß nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Als Soldat mit Kampferfahrung, und etwas, dass man zumindest mit ein wenig Phantasie als Grundausbildung bezeichnen durfte konnte der Mrlssi die teilweise lähmende Angst eines Großteils der zivilen Passagiere teilen, doch war er ja kein dummer Vogel und war sich sehr wohl darüber im klaren, in welcher misslichen Lage alle anwesenden nun steckten. Raue, humorlose, gierige und vor allen Dingen schießwütige Gestalten, die sich nun hier rumtrieben konnten ganz schnell dafür sorgen, dass es trotz ziemlicher Nähe zum medizinischen Bereich eine ganz schöne Menge Opfer geben würde. Immer wieder fiel Slrruk auf, wie diese Hobbyfreibeuter mit den Passagieren umsprangen und einsackten, was – oder wen – sie wollten. Ob es nun Zivilisten waren oder die Frau mit dem verletzten Auge, die zwei der Piraten mit abfälligen Blicken begutachteten. Auch wenn er nur gut einen Meter dreißig groß und nun einmal von der Statur eines ebenso großen Vogels war, fühlte Slrruk sich gleich viel mächtiger, wie er geräuschvoll mit dem Schnabel klapperte und auf die beiden bewaffneten Männer zu schritt.
Auch wenn er das lieber nicht hätte tun sollen.

„Du kommst mit“ Eigentlich war ja klar, das man den auffallend dreisten Vogel früher oder später entweder einfach erschießen oder zum Gegenstand dieses Überfalls machen würde. Und jetzt stand der Typ mit erhobener Waffe vor ihm, in dem Versuch, ihn zum loslaufen zu bewegen. „Was bildet ihr euch eigentlich ein...“, begann er, sich mit krächzender Stimme zu beschweren, dennoch der Anweisung folge leistend. Langsam machte er einen Schritt nach hinten und wollte sich gerade umdrehen um sich auf dem Weg ins ungewisse etwas zu überlegen. Aber es kommt nun einmal immer erstens anders und zweitens als man denkt.
Von hinten runkste und knackte und krachte es plötzlich, und sowohl Alexis als auch Slrruk rissen ihre Köpfe herum. Ein zugleich abstoßendes als auch irgendwie zufriedenstellendes Bild eines dahinblutenden Bardocks zeigte, das dieser offenbar einen Schritt zu weit gegangen war. Doch...wo lag er da? Slrruk kannte sich mittlerweile in dem Lazarett aus und erkannte trotz der kürze des Augenblicks, indem so viel auf einmal passierte zu erkennen, neben wessen Bett er da in einer wachsenden Blutlache lag. Rasch fiel sein Blick auf die Furie mit dem Messer in der Hand, zu der die noch Minuten zuvor vollkommen apathische Sofya mutiert war. Und diese mit Blut beschmierte, bewaffnete Frau, deren bloßer Anblick den Mrlssi bereits mehr als nur einen kalten Schauer über den Rücken laufen lies, bewegte sich schnell und zielstrebig auf ihn zu.
Jetzt zeigte sich in der Tat pure Angst auf dem Gesicht Slrruks. Unfähig sich zu bewegen war er dazu verdammt zu beobachten, wie Valmet in Sekundenbruchteilen an ihren Gegner herangetreten war und ihn mit unerwartet viel Kraft nach hinten Stieß.
Nach hinten, sodass er mit voller Wucht gegen das kleine Vogelwesen prallte. Unsanft wurde Slrruk umgerissen und fand sich auf dem kalten Deckboden wieder, mit Blick auf den Rücken von Alexis und das blutverschmierte Messer, wie es in den Hals des Piraten vergraben wurde, als wäre es ein Stück warme Butter. Blut spritzte ihm auf die Kleidung und ins Gesicht, und die Sekunden, in denen der Mann zu Boden fiel und im Todeskampf vor sich hin keuchte, schienen unerträglich lange zu dauern.
Aber nicht lang genug, um zu verschwinden, bevor die Aufmerksamkeit der jetzt offenbar vollkommen durchgedrehten Sofya auf den Sanitäter zu richten. Zu schwer lastete der Körper des langsam ausblutenden Alexis auf seinen Beinen, um sich schnell unter ihm hervorzuwinden. Nun blickte Slrruk eine verzerrte, animalisch wirkende Grimasse an, und es schüttelte den Mrlssi. Der Hass, diese irrationale Wut war überall. Er konnte sie sehen, in der Art, wie sie das Messer hielt, in der verkrampften Haltung und diesem furchtbaren Gesichtsausdruck. Außerdem meinte er, von jenem Zorn beinahe überwältigt zu werden. Gleich einer Welle heißem – nicht angenehm warmen, sondern fast siedendem – Wasser schien es, und Slrruk konnte es fühlen, als wäre das innerste dieser Frau nach außen gekehrt worden. Nur keinen klaren Gedanken formulieren, oder richtig reden konnte er. Worte, beruhigende Worte versuchte er zu formulieren, doch es war gerade so, als wäre er nie des Basics mächtig gewesen. Lediglich melodische, aber sinn- und zusammenhanglose Laute verließen seinen Schnabel, während er versuchte, sich von dieser lästigen Leiche zu befreien. Nur möglichst langsam, um bloß nicht am Ende selbst noch niedergemetzelt zu werden.
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