#18
Der Direktor verfolgte jeden Moment in Galens Gesicht. Häufig waren bereits kleine Bewegungen in den Gesichtern der Menschen aufschlussreich und bargen interessante Erkenntnisse für solche, die sie zu erkennen vermochten. Orson Krennic sah sich nicht unbedingt als den empathischsten Menschen an, der sich gut in die Emotionen anderer Leute hineindenken konnte. Es interessierte ihn auch schlichtweg nicht. Außer hier vielleicht. Galen mochte ein ausgezeichneter Wissenschaftler sein, einer der besten womöglich der letzten Jahrhunderte, aber es war nicht abzustreiten, dass er – wohl auch gerade deswegen – ein interessantes Testobjekt war. Schlussendlich erwartete man einfach nicht, dass derartig brillante Personen so sehr auch Spielball von anderen Mächten, und ja, auch Personen werden konnte. Man erwartete von ihnen Höchstleistungen in eigentlich allen Bereichen, was sicherlich naiv war. Aber dennoch, Erwartungen eben.

Nach Galens hastiger Reaktion zuckte Krennic kurz mit den Schultern. Kein Team also.
„Ganz wie du möchtest“, antwortete der Direktor zunächst, dabei indes nicht einmal überrascht oder gar enttäuscht wirkend. Galen war eben Galen. Er hatte stets seine eigene Person hintenan gestellt. Das war einerseits bewundernswert, sicherlich. Aber nur zu einem gewissen Maße. Wer es damit übertrieb, ließ sich ausnutzen und würde dies auch werden. Menschen waren Raubtiere: die Frage war im Endeffekt also nur gewesen, wer es geworden wäre, hätte Krennic nicht diese Position selbst übernommen. Mehr oder weniger bereitwillig. Insoweit war es doch vernünftig, dass es wenigstens jemand war, dem etwas an Galen lag, nicht? So skurril dieser Gedanke nach allem auch sein mochte.
„Sei dir jedoch im Klaren, dass ich dir ein Team stellen werde, das dir assistiert, sollte ich den Eindruck erhalten, dass die Arbeit zu langsam vorangeht. Bis dahin…“
Sein Blick wandte sich zu dem Protokolldroiden, der mit kalten Augen deaktiviert neben der Tür an einer der Wände stand. Galen hatte es früher immer vorgezogen, alleine zu arbeiten; sich stundenlang in einem Zimmer eingesperrt und mit sich selbst und seinen wirren Gedanken befasst. Vor Lyra. Seitdem war es anders geworden. Krennic spürte, wie seine Zähne an dem Rand seiner Lippen kauten, unterdrückte ein Seufzen.

Leider war es so, dass Galen besonders die Frage nach dem Warum interessierte, und insbesondere warum gerade erst jetzt. Das war sicherlich einer der unangenehmeren Punkte für Krennic, denn keine der möglichen Antworten ließ ihn in besonders gutem Licht erscheinen. Oder ließ zu viel Rückschluss darüber zu, in welcher angespannten Lage sich das Imperium derzeit befand. Er musste einige Sekunden lang über seine Reaktion nachdenken – vermutlich gerade lange genug, damit es seinem Gesprächspartner auffallen dürfte.
„Deine Expertise war dafür bislang nicht erforderlich“, entgegnete Orson zunächst etwas vielsagend, um sich offensichtlich etwas Zeit für seine Antwort zu erkaufen, wurde im Anschluss aber noch etwas genauer. „Sagen wir, es gab… andere Prioritäten. Und andere Ansätze an das Ziel zu kommen, ohne Kyberkristalle, also auch ohne deren Instabilität.“
Krennic hob eine Braue – vielleicht überlegte er kurz, wie er fortfuhr und ob er das Kommende wirklich mit Galen teilen sollte. Schlussendlich entschied er sich jedoch dafür. Es lag keine Schande darin, vielmehr im Gegenteil. Es zeigte, wie revolutionär die beiden zusammen gewesen waren.
„Aber offen gestanden, die Ergebnisse waren ernüchternd. Nichts konnte die Leistung eines Kyberkristalls auch nur ansatzweise erreichen. Ich denke nicht, dass wir in unserer Lebzeit etwas Vergleichbares finden werden. Galen, wir haben damit ein großes Tor aufgestoßen, das sich nicht wieder schließen lässt.“
Natürlich ließ der Direktor wesentliche Teile des Hintergrundes aus, nämlich dass ihm ein Großteil der Forschungsgelder kassiert und eine Vielzahl von Projekten seit dem Tod des Imperators stillgelegt worden waren. Daher war auch dieses Labor erst kürzlich wieder in Betrieb genommen werden: Es war lediglich rudimentär in diesem Bereich weitergeforscht worden, mit nur kleineren Fortschritten. Aber alles andere hatte sich als Zeitverschwendung erwiesen, während die Kyberforschung insbesondere nach der Niederlage über Endor als zu teuer und überflüssig angesehen worden war. Jedenfalls bis zum neuen Imperator, der erst wieder Interesse hieran gezeigt hatte. Ein Glücksgriff für Krennic. Aber manchmal genügten solche glücklichen Fügungen bereits.
„An diesen alternativen Ansätzen ist daher nichts, womit du dich befassen müsstest. Tatsache ist, dass mir die Kyberforschung nun wieder im vollen Maße bewilligt wurde und man große Erwartungen hierin setzt.“
Die Art und Weise, wie Orson sprach, legte durchaus nahe, dass ihm bewusst war, dass es nicht nur große Erwartungen waren, sondern praktisch übertrieben hohe Forderungen. So mochte sich auch der Umfang erklären, den Krennic gegenüber Galen vorhin erwähnt hatte.
„Sieh es so, Galen. Wir sind beide nicht hier, weil ich es möchte. Wir sind beide hier, weil ich es brauche.“
Er breitete kurz seine Arme aus, fast schon wie zu einer Umarmung, doch stattdessen blieb die Geste unvollendet und fing somit lediglich planmäßig die Größe dieses Raumes ein.
„Im Rahmen dessen muss das hier alles nicht unangenehm werden, für mich nicht, für dich nicht. Abgesehen von deiner Freiheit kann... und werde ich dir Vieles von dem geben, was auch immer du benötigst oder möchtest.“
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