Nachdenklich analysierte Auron den Habitus der jungen, blauhäutigen Frau und gestand sich ein, dass sie so völlig anders war, als er sich eine Jedi vorgestellt hatte. Im Kopf des Abenteurers waren ihre Ordensbrüder strahlende Helden, große Kämpfer für die Ideale einer verlorenen Epoche. Mytria hingegen wirkte so zerbrechlich, unsicher und doch auf eine exotische Art schön. Vielleicht lag es daran, dass sie noch eine Schülerin war. Die Jedi rekrutierten ihren Nachwuchs aus allen Bevölkerungsschichten der Galaxis und bekanntlich fängt jeder einmal klein an.
Auron stellte sich jedoch die Frage, ob eine so junge Frau überhaupt in der Lage war seine Anstrengungen in irgendeiner Art und Weise zu unterstützen. Falls nicht bestand aber immerhin die Chance, mehr über diesen mysteriösen Orden in Erfahrung zu bringen.
Von Mytrias Lächeln angesteckt, entschied sich Seltano die erkannte Unsicherheit der jungen Jedi zu überspielen und die Konversation ungebremst voranzutreiben. “Dann herzlich willkommen auf der wunderschönen Welt Irkalla“, entgegnete Auron, riss seine Arme von sich und deuteten mit geöffneten Handflächen nacheinander in alle Himmelsrichtungen. “Ich muss mich bedanken, denn es ist wohl nicht selbstverständlich, dass ein Jedi einen so weiten Weg nur wegen eines archäologischen Fundes auf sich nimmt“, fügte er an und realisierte erst den Droiden, der sich langsam dem Schiff näherte. Der Abenteurer deutete in Richtung des – im Sonnenlicht glänzenden – Z17. “Gehört der zu Ihnen?“
Mytria fand Auron, trotz seiner merkwürdig versifften und schwitzigen Erscheinung, inzwischen etwas süß. Nicht, dass sie ihn mochte aber seine charmante Selbstdarstellung gefiel ihr. “Irkalla,” wiederholte sie mit leicht zusammengekniffenen Augen. Sie hätte das Memo doch besser lesen sollen. Leider war der Holoroman, den sie für die Reise mitgenommen hatte, deutlich spannender als dröge Archiv-Materie. Aber gut, jetzt wusste sie zumindest, wo sie sich tatsächlich befand. Mytria richtete ihr weißes Halstuch, welches sich im staubigen Wind der Welt leicht verschoben hatte. “Wir Jedi sind immer interessiert an Wissen,” teilte sie mit und tat bei fast so, als ob sie inzwischen eine echte Jedi war. Manchmal war Schein mehr als Sein. Mytria beherrschte die Kunst des Überspielens vielleicht nicht perfekt aber ein wenig. “Zudem habt ihr uns um Hilfe gebeten und wir Jedi helfen gerne,” sagte sie und blickte sich dann noch einmal um, als Seltano auf den Droiden aufmerksam machte. “Ah! Öh?” - Mytria war sichtlich überrascht, dass dieser furchtbar langweilige Droide ihr gefolgt war. Dabei hatte sie ihm doch etwas anderes gesagt. Die junge Frau grummelte und brummte leise. “Ja,” antwortete sie und versuchte lässig zu wirken, was ihr für einen Moment gelang, weil sie ihre Standposition leicht veränderte.
“Immer interessiert an Wissen...“, wiederholte Auron Mytrias Worte und nickte einige Male nachdenklich. “Das habe ich wohl mit den Jedi gemein“, fügte er schließlich seine Gedanken zusammenfassend hinzu und zuckte mit den Schultern. Anderenfalls hätte er seinen Fund einfach für sich behalten. Mit einem Laserschneider und jeder Menge Fantasie wären ihm zweifellos großartige Jedi-Souvenirs mit kreativen Hintergrundgeschichten für leichtgläubige Sammler gelungen. “Es scheint ein Grab zu sein. Zuerst dachte ich an ein Denkmal, aber mittlerweile würde ich einiges darauf verwetten“, erklärte der Abenteurer und strich sich mit der rechten Hand über sein Kinn. “Das Baumaterial für das Monument stammt vollständig von Irkalla hier und die Wände sind mit seltsamen Schriftzeichen übersät. Ich gehe von Jedi-Runen aus, deshalb habe ich den Kontakt auch ursprünglich aufgenommen“, rekapitulierte er einen Teil seiner jüngsten Erkenntnisse. Einige Informationen hielt er jedoch bewusst zurück, einerseits weil er sich nicht sicher war, ob es klug wäre, sein gesamtes Blatt so früh offenzulegen und andererseits, um zu sehen, wie eine Jedi an diese Probleme herangehen würde.
Immer noch gebannt von Z17, der sich nicht an ihre Absprache gehalten hatte, antwortete Mytria nicht direkt und ließ Seltano schlicht in die Leere sprechen. Mytria wusste stets genau, was sie wollte aber nie wirklich, was sie brauchte. Und sie wollte nicht, dass Z17 diese Mission mit seiner langweiligen Kontrollfunktion ruinierte. Grimmig presste die junge Frau ihre Augen zusammen. “Z17,” sagte sie mit verstörend erhöhter Stimme, fast schon böse und zürnend. “Ich habe dir doch gesagt, dass du beim Schiff warten sollst. Ich komme schon klar,” meinte Mytria und warf wütend eine Haarsträhne zurück, die in ihr Blickfeld gefallen war. Ihre besondere Haarfarbe reflektierte dabei auf eine schöne Art und Weise das Licht der Umgebung, so dass sich fast eine fließende Lichtreflektion ergab. Z17 - in seiner gesamten Erscheinung mechanisch und nicht hektisch - wartete bis Mytria ihre Sätze beendet hatte, blickte zu Seltano, wobei seine Maschinenaugen surrten. “Ich bin mit eurem Schutz beauftragt worden, Schülerin Mytria. Ich werde nicht von ihrer Seite weichen, Meisterin Jedi,” war die ohne sonderliche Höhen vorgetragene Antwort des Droiden, die aus dem Vocoder dröhnte. Scheinbar war dieses Modell nicht für herausgehobene Protokollanlässe hergestellt worden. Mytria selbst rollte mit den Augen, blickte wieder zu Seltano, den sie fast in ihrem Anfall von zurückgehaltener Frustration vergessen hatte. “Ehm,” versuchte sich die junge Frau zu retten und sich die Worte des Mannes ins Gedächtnis zu rufen. Irgendetwas, dass er mit den Jedi gemein hatte. Noch irgendetwas mit Runen und vielleicht noch einem Grab? Mytria dachte nach, grübelte, um sich einen Reim aus den Wortfetzen zu machen. “Ja,” war die Antwort, welche eine Brücke sein sollte, bis sie etwas gefunden hatte, was sie bedeutungsschwer vortragen konnte. Etwas, was diesen Seltano beeindrucken sollte. “Ich kenne mich aus. Ich glaube, dass diese Welt mal ein Jedi Außenposten war…,” sagte sie mit betont ruhiger Stimme, um die erhöhte und bohrende Stimme, die sie gegen Z17 gerichtet hatte, ungeschehen zu machen. Gut gemacht, Mytria! Sie hatte es tatsächlich geschafft, einen Allgemeinplatz so zu platzieren, dass sie wenigstens nicht direkt als diejenige auffiel, die keine Ahnung von Irkalla, Runen und Jedi-Gräbern hatte. Mytria versuchte sich mit einem betont schmalzig-süßen Lächeln herauszuwinden und blickte Seltano mit großen Augen, so dass ihre fast okkulte Augenfarbe sichtbar wurde, die auch ein eigenes Farbenspiel besaß.
Auron atmete tief aus, nachdem die Ankunft des Droiden Mytrias Aufmerksamkeit offensichtlich umgelenkt hatte. Die kurze Konversation bot nichtsdestotrotz einige bemerkenswerte Informationsfetzen. So erschien es ihm beinahe absurd, dass ein Droide über eine Jedi wachen sollte. Dass Z17 sich außerdem einen Befehl von ihr widersetzte, war erstaunlich. “Hallo Z17“, begrüßte Seltano die künstliche Intelligenz und erntete dafür ein anerkennendes Nicken. Generell hegte der Abenteurer – im Gegensatz zu vielen anderen Personen – eine gewisse Sympathie für Droiden.
Die nachfolgenden Erklärungen der blauhäutigen Jedi brachten Auron dazu, sein Gesicht in Falten zu legen. Zuerst wirkte es so, als hätte sie ihn gar nicht richtig zugehört, doch dann schien sie plötzlich sehr überzeugt. Seltano biss sich nachdenklich auf seine Unterlippe, während er versuchte aus den Worten Mytrias schlau zu werden. Ein Jedi-Außenposten. Seltsam, der Tiefenscan hatte nur äußerst wenige Anomalien festgestellt, dieser Planet war zweifellos nicht oft von intelligentem Leben betreten worden. Es gab abseits von diesem Monument keine weiteren Bauten, kaum extraterrestrische Rückstände und dergleichen. Aurons Augen verengten sich zu Schlitzen, fixierten die eisblauen Gegenstücke Mytrias. Schließlich schüttelte er seinen Kopf. Trotz allem schien sie zu den Jedi zu gehören und wer wusste schon, wie sie lebten und woraus die Nutzung ihrer Außenposten bestand. “Vermutlich wäre es am geschicktesten, wenn wir uns die Konstruktion erst einmal aus der Nähe ansehen würden? Mittlerweile ist es mir auch gelungen in den Innenraum vorzudringen“, entgegnete Auron und versuchte den theoretischen Exkurs abzukürzen und wieder zurück an die Arbeit zu gelangen.