#65
Reah blickte verdutzt drein. Es war lediglich eine Frage gewesen, kein schulmeisterlicher Test, keiner, der Grund dazu gab ihr in diesem ungewöhnlich genervten Tonfall zu antworten. Nur eine simple Frage, die keinen Grund zur Frustration geben sollte, wo sie doch ohnehin nie viele Fragen gestellt hatte und wohl auch nicht stellen würde - die Dinge ergaben sich im Laufe der Zeit von selbst und es war meist nicht nötig herumzustochern nur um die eigene Neugierde zu befriedigen. So sie denn Neugierde gegenüber Personen besaß und soweit es Reah derzeit sagen konnte, tat sie das nicht. Ein Individuum war stets nur eine Gegebenheit mit der sie Leben und Arbeiten musste, dass aber meist nie ihr tiefer greifendes Interesse weckte. Selbst bei der Jedi war das kaum anders - Reah mochte sie, auf ihre eigene verschrobene Art unternahm aber nichts, um tatsächlich mehr über die Person zu erfahren, was aus ihrer Sicht auch nicht problematisch erschien - zumindest nicht überwiegend. Es mochte hin und wieder zu Situationen wie dieser führen, in denen Sedrael sprunghaft abweisend reagierte weil die Hexe nicht wusste, welch unterbewussten Nerv ihre Frage getroffen haben mochte und sie als Resultat dessen verwirrt zurück ließ. Reah schwieg vorerst und wartete ab. Das war gewiss nicht alles, mehr eine Abwehrreaktion, die der Jedi Zeit verschaffen sollte, obgleich sie davon mehr als genug besaß. Es drängte nicht unmittelbar, sie konnte in Ruhe nach Worten suchen, ohne Eile. Auf diese Welt lief ihnen nichts davon und jeder Moment, den sie hier, in diesem verlassenen Lager Vesperums sitzen würden, wäre ein Moment, den sie länger lebten.
Nach mehreren Augenblicken brach das schweigen und wurde wieder von Sedraels kontrollierter Stimmlage dominiert, als ob sie sich in diesem Moment dazu zwingen musste die Gelassenheit der Jedi aufrecht zu erhalten. Vielleicht um ihre eigene kleine Illusion einer guten Jedi zu ehren oder auch nur aus Gewohnheit - es machte am Ende auch keinen großen Unterschied. Irgendwo mochte die Dunkelheit ihre Finger bereits nach ihr ausgestreckt haben, streichelte sie sanft und injizierte das Toxin mit jeder Berührung. Ob es Korribans finstere Präsenz war oder Reahs Taten, die ihre Welt wohl verfinstern mochte konnte die Hexe nicht klar sagen. Aber es nagte an ihr. Irgendwo. Irgendwo würde es immer an ihr Nagen, bis sie irgendwann daran zerbrach oder die Entschlossenheit erlangte, dagegen tatsächlich anzukämpfen.
Die dunkle Jedi lauschte den Worten Sedraels, kommentierte diese aber zunächst nicht. Das Bild schien nur flüchtig gewesen zu sein, interessant zweifelsohne, aber unvollkommen. Etwas wichtiges fehlte. Das Detail des Ausgangs, der Zweck, dem es dienen sollte, denn so wie es ihr dargestellt wurde, konnte sich Reah nicht erklären wozu es dienen sollte. Wenn der Grund dafür verborgen im Dunkeln lag, war die Erkenntnis, dass er sich an einem dunklen Ritus versuchte nur ein Puzzlestück, es grenzte ein wonach sie suchten, warf aber mehr Fragen auf, als es beantwortete. Und doch versprach es auch Hoffnung - wenn es Vesperum nicht geschafft hatte, konnte er immer noch aufgehalten werden. Aber.. war da noch mehr? Es schien, als würde Sedrael etwas zurückhalten, etwas, über das sie nicht unmittelbar sprechen wollte. Die Hexe kommentierte das gesagte nur mit einem schwachen Nicken, sie hatte verstanden, aber es reichte noch nicht für ein Gesamtbild aus.

Reah durchsuchte ihre eigenen Erinnerungen, versuchte sich noch einmal ihre ersten Erlebnisse auf Korriban in Erinnerung zu rufen aber... da war nicht viel. Als sie Vesperum und seine Begleiterin fanden, sahen sie fürchterlich aus, wie ein Mann, der in die Hölle hinabgestiegen war und sich nur mit letzter Mühe wieder daraus befreien konnte aber sie hatte damals nicht auf Absonderlichkeiten geachtet, nein, damals... vor ein paar Wochen, vor Firrerre war die Welt einfacher gewesen. Weil sie nur noch das Schwarz kannte, ganz ohne Licht, in perfekter Reinheit. Doch mit dem Licht kamen die Kontraste, kam die Diversität und was einmal einfach und simpel schien, wurde unmerklich komplizierter. Es war, als hätte dieses schwache Glimmen auf Firrerre gezeigt, wie düster der Schatten war, der aus den Katakomben Korribans heraus erwuchs - etwas, dass sie im tiefsten Dunkel nicht erkennen konnte und mehr noch, vielleicht auch gar nicht wollte. Doch mit Vesperums Rückkehr, gelangte auch das Wissen der Alten zurück, die Wege der Sith, der Lebensfresser, die alles verzehrten bis nichts mehr über blieb und das, wo Dunkel doch Leben bedeuten mochte. Oder etwas nicht? Waren es nicht die Aspekte der Dunkelheit, die dem Leben erst seinen Reiz kamen? Die Emotionen, Leidenschaft, Freude, Liebe und Hass entsprangen doch alle jenem Keim, den die Jedi als abstoßend und verboten betrachteten. Doch wie kann ein Sith, dieses Dunkel selbst verschlingen wollen, wenn es doch nun seine eigene Ursprungsquelle war? Es passte nicht zusammen. Dunkel - Hell, das genügte nicht. Etwas fehlte, etwas dazwischen. Leere. Tiefe, endlose Leere die kam, wenn nichts mehr übrig war. Eine trostlose Einöde mochte das sein, wo einzelne Männer und Frauen willen- und ziellos umherirrten, sich kurzzeitig von Hirngespinsten antreiben ließen in dem Glauben, sie würden etwas erreichen. Ein Stück weit mochte sie selbst schon darin gefangen sein, der Teil, der vom Nektar der Sith gekostet hatte und nun nicht mehr den Weg zurück fand.
Etwas packte sie fest an der Schulter und holte sie zurück in die wache Welt. Sie schreckte hoch, merkte wie sich Muskeln verkrampften ehe sie in die weit geöffneten Augen Sedraels blickte und etwas von ihrer Anspannung abfiel. Es mochte nicht oft vorkommen, dass es Reah die Sprache verschlug, so sie sich nicht selbst zum Schweigen entschied, doch in diesem Moment schien es, als säße sie perplex und überrascht wie ein Kind, unfähig etwas zu unternehmen ein Teil davon mochte darauf zurückzuführen sein, dass sie körperlich und geistig eigentlich am Ende war und es sich nur nicht gestattete es einzugestehen. Sie blinzelte einmal, vielleicht als Zeichen dafür, dass sie gerade kaum zugehört hatte, ehe sich die Hexe daran versuchte, sich die Worte, die der Tat folgten zurück ins Gedächtnis zu rufen. Vesperum war nicht allein - nein, natürlich nicht. Er hatte eine Schülerin bei sich gehabt, aber das war es nicht, was Sedrael meinte. Es war mächtiger, größer und offenbar nicht greifbar, besaß dafür aber eine umso stärkere Präsenz. War dies der Schlüssel? Wenn es irgendeine Wesenheit gab, die sich Vesperums bemächtigt hatte, mochte dies der Ursprung seines Wahnsinns sein, mochte es sogar das sein, was sie hier finden mussten um das Übernatürliche zu entschlüsseln. Reah massierte ihre Stirnt, versuchte sich zu konzentrieren -es musste einen Weg geben es zu identifizieren. Vorsicht hin oder her - wenn es eine Wesenheit gab, die ihn vereinnahmt hatte oder mit der er kooperierte und dieses Ding sie vorher fand, war es ein Wettlauf gegen die Zeit. Wenn der dunkle Lord erfuhr was sie vorhatten bevor sie von diesem Planeten wegkamen, war es das Ende. "Wir brauchen mehr als das... einen Namen..., eine Spur...", murmelte Reah mehr zu sich selbst. Eine Spur, ja, nur ein kleines Echo. Ihr Kopf erhob sich. Ein Echo, ja, etwas, dass in der Macht lag, das nur schwerlich verblasste. "...einen Abdruck! Wir brauchen...", sie geriet ins straucheln, als sich Sedraels Hand plötzlich und schnell entfernte, als hätte sich ein Dorn in ihren Finger gebohrt. "Was?", fragte die Hexe vollkommen überrascht und aus ihren Überlegungen gerissen.

Sedraels Reaktion folgte prompt, trocken, wie eine Anklage hinter der versteckt bereits der Richtspruch steckte. Ja, sie war bereits hier gewesen und hatte derlei auch nie bestritten - aber was spielte das in diesem Augenblick für eine Rolle? Der Schatten blinzelte ungläubig als hätte er etwas offensichtliches übersehen, dass die ganze Zeit über da gewesen sein mochte, sich aber nie an die Oberfläche getraut hatte. Misstrauen, Misstrauen, dass einmal Verrat werden mochte. Reah lachte ebenso trocken, tonlos, beinahe ungläubig, ehre ihre Hand das Handgelenk Sedraels packte. "Du glaubst mir nicht?", ihre Stimme brach, lies die alte vertrocknete Kruste des Hohns aufbrechen und machte stattdessen Platz für Emotionen, für Zorn, Enttäuschung und Bitterkeit, die in den Worten vibrierten. "Du glaubst ich bin seine kleine Dienerin, nicht wahr?", sie gluckste und schüttelte den Kopf, "Seine kleine Schülerin, die brav die Artefakte für ihren Meister sammelt, die er bei seinem letzten Besuch hier zurücklassen musste? Du glaubst ich tue mir das freiwillig an? Das ist alles nur Scharade...", ein erneutes Lachen, ehe sie die Worte förmlich ausspie. "..ein Spiel!" Reah packte das Handgelenk fester, als sich ihr Ausdruck von Bitterkeit zu ernster Entschlossenheit wandelte. "Dann sag mir, was du siehst, Seherin! Sag mir was ich bin, wer ich bin und ich sage dir, ich bin keine Lügnerin. Ich habe dich nie belogen!" Ihr Griff wurde schwächer und die Hexe ließ los. "Ein Titel macht keinen Sith. Nicht aus mir."
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